Sam Bankman-Fried pokert im Betrugsprozess hoch – wie vor der FTX-Pleite bei der Spekulation mit angeblichen Krypto-Werten
Im vom Richter verordneten Probelauf für den eigenen Auftritt im Zeugenstand testet er seinen eigenartigen Charme. Sollte er die Jury verunsichern können, droht der Prozess zu platzen.
Betrug gilt in den USA erst dann als Verbrechen, wenn die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten in einem Prozess die Absicht dazu nachweisen kann – auch wenn es um Milliarden geht. Wie etwa jene Kundengelder, die Sam Bankman-Fried (SBF) als Gründer und ehemaliger CEO der selbsternannten Krypto-Börse FTX veruntreut, verspekuliert, zum Teil aber auch in die eigene Tasche gewirtschaftet oder an seltsame politische Figuren gespendet haben soll.
Der heute 31-Jährige steht im laufenden Prozess vor dem United States District Court for the Southern District of New York aufgrund belastender Aussagen von 18 Zeugen – unter ihnen vormals enge Freunde und Mitarbeiter – mit dem Rücken zur Wand und scheint kaum noch etwas verlieren zu können. Aus diesem Grund scheint er sich gemäss dem Motto «Angriff ist die beste Verteidigung» dazu entschlossen zu haben, selbst in den Zeugenstand zu treten und persönlich auszusagen.
Probedurchgang vor dem Auftritt vor der Jury?
Wer der Welt und vor allem auch den gutgläubigen Jüngern des scheinbar endlosen technologischen Fortschritts im stark regulierten, fundamental kaum veränderbaren Finanzbereich jahrelang den «Krypto-Heiligen» vorgaukeln konnte, lässt den Funken seines seltsamen Charmes vielleicht auch im positiven Sinne auf die Jury überspringen, scheinen sich seine Anwälte zu sagen – obwohl die geballte Erfahrung aus der Vergangenheit eigentlich dagegenspricht.
Dieser delikaten Konstellation scheint sich auch Richter Lewis Kaplan rechtzeitig bewusst geworden zu sein – mit der Konsequenz, dass er die Mitglieder der Jury am Donnerstagnachmittag nach Hause schickte und sich gewissermassen in einem Probedurchgang selektiv erst einmal selbst anhörte, wie und was der Angeklagte argumentativ vorzutragen gedachte. In diesem ungewöhnlichen Rahmen wurde schnell klar, in welche Richtung sich SBFs Plädoyer entwickeln dürfte.
Erst versuchte der junge Mann, ruhig und selbstbewusst zu erklären, wie er zu geschäftlichen Entscheidungen gekommen war und wie stark er dabei auf die Empfehlungen und Ratschläge seiner Anwälte gehört hatte. Doch dieser Eindruck änderte sich schnell, als er im Kreuzverhör der Staatsanwälte zugeben musste, sich nicht an Gespräche mit konkreten Personen erinnern zu können, die laut seiner Aussage die Aktivitäten auf Bankkonti, die Kredite oder auch die Kommunikation überwacht hatten.
Er wich bei entsprechenden Fragen manchmal aus oder sagte, entscheidende Details nicht aus dem Gedächtnis abrufen zu können. Gemäss eigenen Aussagen hat er nicht nur keine Beweise für die Beteiligung bestimmter Anwälte an der Überwachung der Qualität der Unternehmensführung, sondern er gab gleichzeitig auch vor, nur wenig über die inneren Abläufe des von ihm gegründeten Unternehmens gewusst zu haben.
Richter Kaplan erklärte, er habe seit langer Zeit keine Anhörung dieser Art mehr abgehalten, um die geplanten Aussagen eines Angeklagten zu überprüfen, wenn überhaupt. Aber in diesem Fall sei das aussergewöhnliche Vorgehen notwendig geworden, weil die klagenden Staatsanwälte und die Verteidiger keine Einigung darüber hätten erzielen können, welche Aussagen die Geschworenen hören sollten.
Nun wird er am Freitagmorgen entscheiden, ob Sam Bankman-Fried persönlich vor der Jury aussagen darf. Im Probedurchgang waren dessen Aussagen mit «Ums» und «Ahs» durchzogen. Er habe oft für mehrere Sekunden lang nach unten auf seinen Schoss geblickt, bevor er geantwortet habe, berichteten Beobachter. Manchmal stellte er sogar Gegenfragen oder erklärte, er verstehe die Frage nicht. «Ein Teil des Problems besteht darin, dass der Zeuge eine, wie ich es einfach nennen möchte, interessante Art hat, auf Fragen zu antworten», erklärte daraufhin der Richter.
Bei Erfolg der riskanten Strategie winkt der Hauptgewinn
Die Krypto-Börse FTX war vor einem knappen Jahr finanziell abgestürzt. Sam Bankman-Fried war schon im Dezember wegen mutmasslichen Betrugs angeklagt worden. Im seit ein paar Tagen laufenden Prozess muss er sich nun mit sieben Anklagepunkten auseinandersetzen. Die Staatsanwälte werfen ihm vor, FTX-Kunden versprochen zu haben, ihre Einlagen seien sicher, während er gleichzeitig Milliarden davon für den Kauf von teuren Immobilien, für riskante Spekulationen, für den Erwerb von Anteilen an Startups oder auch für Wahlkampfspenden missbraucht habe. Zeugen werfen ihm sogar vor, seine Mitarbeiter genötigt zu haben, Finanzdokumente zu fälschen, um seine Vergehen zu vertuschen.
Im Falle einer Verurteilung droht ihm eine sehr lange Haftstrafe. Sicher ist diese allerdings noch nicht. Denn sollte es ihm – trotz allen gegenläufigen Erfahrungen – im Rahmen der eigenen Zeugenaussage gelingen, die Jury trotz den bisher scheinbar eindeutigen Aussagen und Beweisen gegen ihn zu verunsichern, könnte er den Prozess auf diese Weise platzen lassen. Das Risiko, selbst in den Zeugenstand zu treten, ist also hoch – aber gleichzeitig ist der mögliche Gewinn bei Erfolg des Wagnisses enorm. Wen könnte dieser Trade-off mehr reizen als den ehemaligen Bitcoin-Guru, dem es in der Vergangenheit gelungen ist, «digitale Münzen dubiosen Wertes» als das Gold der Zukunft zu verkaufen?
Author: Katelyn Hart
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